Biophilic Design: Die Theorie dahinter
Biophilic Design: Die Theorie dahinter
In einer Zeit, in der betonierte Städte, breite Straßen und hohe Fassaden die Umwelt prägen, steigt für den Menschen das Bedürfnis nach mehr Kontakt mit der Natur in seiner persönlichen Umgebung. So zumindest lautet eine der Grundannahmen von Biophilic Design. Theorien darüber, dass ein Bedürfnis zur Verbindung mit der Natur tief im Menschen verankert ist, gibt es schon lange. Der Begriff, welcher sich in diesem Zusammenhang hervortat, lautet Biophilie. Aber was genau bedeutet Biophilie und wie spiegelt sich biophiles Design in der modernen Architektur, im Interior Design oder der Konzeption von Bürolandschaften wider?
Um sich jener Theorie hinter den Prinzipien von Biophilic Design zu nähern, ist zunächst ein Rückblick auf die Arbeitswelt der 1970er Jahre hilfreich. Diese war geprägt von industrieller Produktion und der Zunahme von Büroarbeit, welche oft in standardisierten und sehr zweckmäßigen Umgebungen stattfand. Unternehmen waren von hierarchischen Strukturen dominiert und Entscheidungen wurden meist von oben nach unten weitergegeben. Während die Einführung von Computern allmählich die Arbeitsweise veränderte, blieben viele Merkmale der Arbeit nach wie vor starr. Gleichzeitig erlebten Gewerkschaften eine starke Phase, in der sie für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne kämpften, während wirtschaftliche Herausforderungen wie die Ölkrise von 1973 die Stabilität der Arbeitsmärkte bedrohten. Die Zunahme weiblicher Arbeitskräfte brachte zudem Diskurse über Gleichberechtigung sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Gang.
Inmitten dieser aufbrechenden traditionellen Strukturen begann also eine Zeit des kulturellen Wandels, innerhalb dessen Arbeitszufriedenheit und persönliche Erfüllung an Bedeutung gewannen. Jene Entwicklungen schufen die Grundlage für ein neues Verständnis von Arbeitsumgebungen, die für den Menschen gemacht sein sollten, anstatt die Anpassbarkeit des Menschen in eine starre Struktur hervorzuheben. Räume zu schaffen, in denen sich Menschen wohlfühlen und welche entsprechend der Natur des Menschen gestaltet sind, etablierten sich als neue Prämisse, die zuerst Ausdruck in der Architektur fand. Doch was macht die Natur des Menschen aus?
Natürliche Impulse: Was ist Biophilie?
Die Natur des Menschen beschäftigt seit je her unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen, die von der Biologie über die Anthropologie, die Psychologie und Psychoanalyse, die Philosophie, die Soziologie, die Neurowissenschaft bis zur Kultur- und Sozialanthropologie reichen. Die Theorie hinter Biophilic Design prägten vor allem der Soziologe und Sozialpsychologe Erich Fromm sowie der Soziobiologe Edward O. Wilson.
Wem der Begriff der Soziobiologie geläufig ist, wird auch mit der Kritik an ihr vertraut sein und der wissenschaftliche Diskurs hat sehr eindeutig eine Überbetonung der Genetik in ihrem Erklärungsansatz als problematisch identifiziert – besonders, wenn auf Basis dieser Argumentation gesellschaftliche Ungleichheiten oder Machtstrukturen politisch begründet werden. Daher soll es an dieser Stelle allein um ein historisches Verständnis der wiederum positiven Effekte für die Entwicklung eines Designs gehen, das den Mensch in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Für Biophilic Design spielt dabei der namensgebende Begriff „Biophilie“ eine entscheidende Rolle.
„Biophilie“ setzt sich aus den altgriechischen Wörtern „bios“ (Leben) und „philia“ (Liebe) zusammen. Der Begriff wurde erstmals von dem deutschen Sozialpsychologen Erich Fromm in seinem Buch „Die Seele des Menschen“ (1964) geprägt. Fromm beschreibt Biophilie als die „leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen; sie ist der Wunsch, das Wachstum zu fördern, ob es sich nun um einen Menschen, eine Pflanze, eine Idee oder eine soziale Gruppe handelt.“
Edward Osborne Wilson, ein amerikanischer Soziobiologe, brachte 1984, wahrscheinlich unabhängig von Fromm, die Biophilie-Hypothese in die wissenschaftliche Diskussion ein. Seine These: Der Mensch hat im Laufe der Evolution eine Affinität zu den vielen Formen des Lebens entwickelt. Er geht davon aus, dass demnach den Menschen ein Bedürfnis innewohnt, die Nähe zu nichtmenschlichen Lebewesen und der Natur zu suchen.
Ein Streben nach Harmonie im Raum
Biophilie ist also eigentlich ein Streben des Menschen nach einer natürlichen Umgebung. Dass die vorwiegend biologische Herleitung nach heutiger Erkenntnis nicht mehr als valide betrachtet wird, ändert nichts an den nachweisbaren positiven Effekten von Biophilic Design. Besonders stark sind die positiven Effekte auf die Psyche, welche sich einstellen, wenn man im Alltag von Natur umgeben ist.
Ebenso bedeutsam sind aber auch physiologische Effekte, die auf Zusammenhänge in der Natur zurückzuführen sind. Eine ionische Veränderung der Luftzusammensetzung, wie sie nach Gewittern, in Wäldern oder in der Nähe von bewegten Gewässern vorkommt, wirkt bspw. belebend auf den menschlichen Körper. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass ein Aufenthalt am Meer oder ein Waldspaziergang für allgemeines Wohlbefinden sorgen und die körperliche Gesundheit fördern.
Biophilie ist daher nicht nur mit einem bereicherten Seelenleben assoziiert, sondern auch mit positiven Impulsen für den Körper, die in einen Zustand der Harmonie mit der Umwelt versetzen. Biophilic Design ist nun die Antwort auf dieses natürliche Verlangen nach einer Umgebung, welche an die Natur erinnert bzw. natürliche Vorgänge im kulturellen Raum imitiert. Das Konzept zielt darauf ab, urbane Umgebungen durch die Integration von natürlichen Elementen lebenswerter zu gestalten. Dabei geht es nicht nur um ästhetische Aspekte, sondern auch um das psychologische und schlussendlich körperliche Wohlbefinden der Menschen.
Die Bedeutung der Natur im Anthropozän
Das Bedürfnis, eine Verbindung zur Natur im täglichen Leben zu finden, steht dabei im Kontrast zu den Lebensrealitäten des scheidenden 20. Jahrhunderts, die sich zu Beginn des folgenden Jahrtausends in ihrem Ausmaß noch verstärken sollten. Während Menschen früher in und von der Natur lebten, findet gesellschaftliches Leben heute vorwiegend in urbanen Umgebungen statt und der Mensch ist zum größten Einflussfaktor auf biologische, geologische und atmosphärische Prozesse geworden.
Das für diese Epoche vorgeschlagene Wort des Anthropozäns beschreibt ein Zeitalter, in welchem Städte betonierte Landschaften darstellen, die Umwelt von Naturzerstörung geprägt ist und Bewohnerinnen und Bewohner, wenn auch unterbewusst, an Luftverschmutzung und Lärm leiden. Das Konzept von Biophilic Design setzt einen Gegenpol zu dieser dystopischen Beschreibung und nimmt dabei die Affinität zur Natur und dem Lebendigen in den Blick.
Zusätzlich gibt Biophilic Design Werkzeuge an die Hand, um die Begleiterscheinungen dieser Epoche für Büroarbeit zu adressieren und im Hinblick darauf positiv lenkende Impulse zu setzen. Zu den faktischen Realitäten moderner Büroarbeit zählt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchschnittlich 93 % des Tages in geschlossenen Räumen verbringen und dabei 11 Stunden mit der Nutzung technischer Geräte beschäftigt sind; weit entfernt von einem Leben in und mit der Natur.
Formen und Elemente der Natur im Biophilic Design
Die Design-Philosophie von Biophilic Design integriert natürliche Elemente wie Pflanzen, Licht, Wasser und Luft in urbane Umgebungen. Dabei geht der Zweck weit über die bloße Ästhetik hinaus und zielt darauf ab, das menschliche Wohlbefinden – auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit – zu fördern. Sie nutzt die psychologischen und physiologischen Vorteile der Natur und bringt sie in die alltäglichen Lebensräume.
Die Einbindung von Pflanzen und Bäumen in Hauswände, Inneneinrichtungen und Dächer kann nicht nur die Luftqualität verbessern und positive mikroklimatische Effekte bewirken, sondern auch das Stressniveau von Bewohnerinnen und Bewohnern senken. Zudem steigert Tageslicht das Wohlergehen, erhöht die Leistungsfähigkeit und kann einen positiven Effekt auf den Schlafrhythmus und die Schlafqualität haben. An Arbeitsplätzen führen Pflanzen und natürliches Licht dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entspannter und kreativer arbeiten können. Um Räume naturnah zu gestalten, können Bilder und Farben, die in der Natur vorkommen, genutzt werden. Auch Zufallsmuster, welche in der Natur häufig zu finden sind, können sich bspw. in Bodenbelägen oder Grundrissen widerspiegeln.
Natürliche Umgebungen können das Immunsystem und auch das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit stärken. Studien haben gezeigt, dass Krankenhauspatienten, die Zugang zu natürlichen Ausblicken und Tageslicht haben, schneller genesen und weniger Schmerzmittel benötigen.
Auch im Home-Office kann Biophilic Design angewendet werden, um eine Oase der Ruhe und Erholung zu schaffen. Durch gezieltes Design kann es so gestaltet werden, dass es für die Lebens- und Arbeitsqualität von Bewohnerinnen und Bewohnern förderlich ist. Insgesamt zeigt Biophilic Design, wie die Integration natürlicher Elemente in unsere Umwelt zu einer nachhaltigeren und lebenswerteren Welt beitragen kann.
Gestalterische und technologische Werkzeuge für mehr Wohlbefinden
Die Prinzipien von Biophilic Design geben praktische Werkzeuge zur Erarbeitung von Konzepten der Raumgestaltung an die Hand, welche eine Brücke zu den theoretischen Einsichten darüber schlagen, welche Elemente positive Impulse für menschengemachte Umgebungen schaffen.
- Technologische Werkzeuge spielen dabei eine entscheidende Rolle: Beleuchtungssysteme, die Tageslicht simulieren, sind ein herausragendes Beispiel für Produkte, die darauf abzielen, natürliche Lichtverhältnisse in Innenräumen zu erzeugen. Diese Systeme fördern aufgrund wechselnder Farbtemperatur über den Tagesverlauf nicht nur die Gesundheit, indem sie den Schlafrhythmus und die Stimmung positiv beeinflussen, sondern verbessern auch die Leistungsfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden. Fortschrittliche Belüftungssysteme mit Ionisierungsmodulen zur Optimierung der Frischluftzufuhr ermöglichen indes eine Verbesserung der Luftqualität. Jene Systeme reinigen die Luft, indem sie schädliche Partikel binden und so für ein gesünderes Raumklima sorgen.
- Der Einsatz von Farben ist ein weiteres wirkungsvolles Werkzeug im Biophilic Design. Jede Farbe hat ihre eigene psychologische Wirkung und kann die Atmosphäre eines Raumes einschließlich der Auswirkung auf soziale Beziehungen im Raum entscheidend beeinflussen. Farben wie Grün, Blau, Gelb und Braun sollten bspw. in Innenräumen vorherrschen, in denen eine angenehme Arbeits- und Lernatmosphäre förderlich ist. Diese Farbtöne sind mit positiven Emotionen und erhöhter Produktivität verbunden. Grün wirkt beruhigend und fördert die Kreativität, während Gelb Wärme und Aktivität repräsentiert und die Kommunikationsfreudigkeit anregt. Blau, die Farbe des Wassers und Himmels, steht für Beständigkeit und Seriosität und eignet sich hervorragend zur Beruhigung in nervösen Situationen. Braun strahlt Gemütlichkeit und Geborgenheit aus und erinnert an die Erde und den Herbst, was ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Durch die bewusste Farbauswahl können Räume gestaltet werden, welche die individuelle Wahrnehmung lenken und Emotionen positiv beeinflussen.
- Formen, welche die Natur nachahmen, sind ein weiterer wichtiger Aspekt des Biophilic Designs. Biomorphe Formen und symbolische Anspielungen auf Umrisse, Muster oder Strukturen, wie sie in der Natur vorkommen, können ein Gefühl der Verbindung zur Natur erzeugen. Diese Analogien lassen sich durch Gebäudeformen, Textilmuster, Möbel, Oberflächen und die Maserung von Materialien umsetzen. Indem natürliche Strukturen und Muster im Designprozess einbezogen werden, entsteht eine Umgebung, welche an die Natur erinnert und mithin einen Kontakt zu Naturlandschaften im Alltag fördert. Solche gestalterischen Elemente tragen dazu bei, einen urbanen Raum wiederzubeleben sowie eine harmonische Verbindung zwischen Mensch und Umwelt zu fördern.
Leben wie im Wald: praktische Ansätze im Biophilic Design
Die Umsetzung von Biophilic Design erwächst vollumfassend aus dem Zusammenspiel verschiedener Berufe und Fachbereiche, die sowohl in der Theorie als auch in der Praxis an der Gestaltung lebenswerter Räume arbeiten. Zu ihnen gehören:
- Stadtplanerinnen und Stadtplaner
- Architektinnen und Architekten
- Innenarchitektinnen und Innenarchitekten
- Expertinnen und Experten aus dem Interior Design bzw. Raumausstatterinnen und Raumausstatter
- Fachleute für Homestaging
- Büroplanerinnen und Büroplaner
Schon bei der Stadtplanung wird die Basis für naturnahe Sozialräume geschaffen. Architektinnen und Architekten bauen mit der Planung und Gestaltung von Gebäuden darauf auf, biophile Konzepte in urbane Umgebungen zu integrieren. Sie nutzen natürliche Materialien und Formen, um Räume zu schaffen, die den Kontakt zur Natur fördern. Innenarchitektinnen und Innenarchitekten schaffen die entsprechende Verbindung der Konzepte in das Innere von Räumen und legen den Grundstein für einen Umgang mit Tageslicht in Innenräumen. Interior Designer bzw. Raumausstatterinnen und Raumausstatter greifen das Potenzial auf und konzentrieren sich darauf, Innenräume durch den Einsatz von Farben, Texturen und biophilen Elementen wie Pflanzen und Wasser so zu gestalten, dass sie positive Impulse für das gesellschaftliche Miteinander im Gebäude schaffen. Büroplanerinnen und Büroplaner entwickeln Arbeitsumgebungen, welche durch die Integration von biophilen Gestaltungsprinzipien nicht nur die Produktivität, sondern auch die Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fördern. Homestaging schafft schließlich eine Kommunikation des biophilen Raums samt all seiner Vorteile nach außen und wirkt als anziehender Faktor bei der Vermarktung entsprechender Räume. All diese Fachleute arbeiten in Theorie und Praxis eng zusammen, um Räume zu kreieren, die den Bedürfnissen des Menschen gerecht werden und eine tiefere Verbindung zur Natur ermöglichen.
„Natürlich Büro“: Biophiles Design in der Praxis
Biophilic Design ist mehr als nur ein Trend. Es ist eine Rückbesinnung auf die natürlichen Wurzeln und eine Antwort auf die Herausforderungen des urbanen Lebens postmoderner Gesellschaften. Die Suche nach einem naturnahen Büro beginnt bei der Architektur, erstreckt sich über Produkte nachhaltig produzierender Büromöbelhersteller und ist nicht erst seit dem Jahr 2024 ein Faktor von Mitarbeiterbindung im Unternehmen. Entstanden im Zeitalter der Informations- und Wissensarbeit, welche hochgradig mit Tätigkeiten in Büros verbunden ist, lassen sich sowohl der Ursprung als auch die Formen von Biophilic Design arbeits- und organisationssoziologisch beschreiben und analysieren. Schließlich ist jedes Arbeitsumfeld ein Produkt menschlicher Kreation und wirkt gleichermaßen auf die in ihm arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück. Künstlich geschaffene Umgebungen mit natürlichen Elementen zu verbinden und dadurch Lebens- und Arbeitsqualität zu verbessern sowie zu Nachhaltigkeit beizutragen umfassen Facetten von Biophilic Design. Das gilt für das Home-Office ebenso wie für das Büro im Unternehmen.
Getreu unserem Claim „Stiegler. Natürlich Büro“ gestalten wir seit mehreren Jahren Bürolandschaften, die eine harmonische Verbindung zwischen Natur und Arbeitsräumen schaffen. Unser Team begleitet Unternehmen von der ersten Idee bis zur finalen Umsetzung und stellt sicher, dass die jeweiligen Arbeitsumgebungen nicht nur funktional, sondern auch inspirierend und motivierend sowie nicht zuletzt ergonomisch sind und Gesundheit wie Wohlbefinden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützen. Dank unserer Expertise in der Beratung, Konzeption, Planung und Umsetzung von Bürolandschaften nach den Prinzipien des Biophilic Designs und der langjährigen Erfahrung seit 1989 schaffen wir Räume mit einem tiefen Verständnis für die spezifischen Anforderungen moderner Arbeitsplätze. Gern sind wir auch Ihr Ansprechpartner, wenn es darum geht, naturnahe, gesunde und produktive Bürowelten zu gestalten. Nutzen Sie das Potenzial biophiler Gestaltung, um die Motivation und Identifikation innerhalb Ihres Teams zu stärken. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Beratung und erfahren Sie, wie wir gemeinsam Ihre Vision einer idealen Bürogestaltung verwirklichen können.